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Vulkanisationsdämpfe

Ganzes Dokument: Datenblatt


Vulkanisationsdämpfe


Charakterisierung, Grenzwerte, Einstufungen

Bei der Vulkanisation werden aus natürlichem oder synthetischem Kautschuk durch Vernetzung vorwiegend mit Schwefelatomen Polymere in den gummielastischen Zustand überführt.
Über die Schwefelmenge kann man die Konsistenz des vulkanisierten Kautschuk steuern.
Bei manchen Synthesekautschuken werden auch schwefelfreie Vernetzer eingesetzt, z.B. Peroxide oder Metalloxide. SBR-, NBR- und andere Copolymere können auch rein thermisch ohne weitere Vernetzer vulkanisiert werden.
Allen Mischungen gemeinsam ist, dass durch Hilfsstoffe wie Beschleuniger, Verzögerer, Farb- und Füllstoffe in genau definierten Mengen die Eigenschaften des Gummis festgelegt werden.
Technisch wird die Vulkanisation kontinuierlich oder diskontinuierlich geführt, meist im Temperaturbereich 120 - 160 °C. Zur Aufheizung werden beheizbare Pressen, heiße Luft bzw. Dampf, Flüssigkeits- oder Salzbäder oder Mikrowellen benutzt.
Bei der Vulkanisation werden etliche organische Gase freigesetzt. Dabei können - in Abhängigkeit der eingesetzten Stoffe/Zubereitungen - auch krebserzeugende N-Nitrosamine oder Benzo[a]pyren freigesetzt werden.
Es sind bislang ca. 200 verschiedene Bestandteile in Vulkanisationsdämpfen analysiert worden, hauptsächlich Alkane, Cycloalkane, Cycloalkene, Aromaten, Phenole und Ester.
Unter Praxisbedingungen konnten mit dem Berufsgenossenschaftlichen Messsystem Gefahrstoffe am Arbeitsplatz im Wesentlichen nur Mineralöldämpfe, organische Schwefelverbindungen und N-Nitrosamine nachgewiesen werden.
Die unter Grenzwerte und Einstufungen aufgeführten Stoffe sind daher einige typische Bestandteile von Vulkanisationsdämpfen, sie müssen aber - in Abhängigkeit von Einsatzstoffen und Prozessbedingungen - nicht immer enthalten sein.
Auch beim Bearbeiten und der Lagerung der frisch hergestellten Gummiprodukte entweichen langsam die leicht flüchtigen Bestandteile der Reaktionsprodukte der Vulkanisation.


N-Nitrosamine
Die Exposition der Beschäftigten gegenüber krebserzeugenden N-Nitrosaminen in der Luft in Arbeitsbereichen ist auf ein Minimum zu reduzieren. 
Nach dem Stand der Technik ist in Bereichen der technischen Gummiindustrie in den Bereichen Vorbereitung, Vulkanisation und Lager eine Konzentration von 1 µg/m³ erreichbar (s. TRGS 552).
Nach dem Stand der Technik ist in der Reifenindustrie im Bereich Vulkanisation eine Konzentration von 0,5 µg/m³ und im Lager eine Konzentration von 1 µg/m³ erreichbar (s. TRGS 552).
Benzo[a]pyren
In der TRGS 910 sind folgende stoffspezifische Konzentrationswerte im Rahmen des gestuften risikobezogenen Maßnahmenkonzepts für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen (ERB-Konzept) festgelegt:
Akzeptanzkonzentration: 70 ng/m³ (festgelegt aus­schließ­lich als Schichtmittelwert)
Toleranzkonzentration: 700 ng/m³
Spitzenbegrenzung der Toleranzkonzentration: Über­schrei­tungsfaktor (ÜF) 8; Kategorie für Kurzzeitwerte (II)
Das Produkt aus Überschreitungsfaktor und Über­schrei­tungsdauer muss eingehalten werden: ÜF 8 x 15 min = 120 min (berechne Produkt (tatsächliche Überschreitungsfaktor) x min). Max. 4 Überschreitungen pro Schicht, max. 60 min.
Gefahr der Hautresorption (H)
Krebserzeugend Kat. 1B (GefStoffV) - Stoffe, die als krebserzeugend für den Menschen angesehen werden sollten.
Keimzellmutagen Kat. 1B (GefStoffV) - Stoffe, die als erbgutverändernd für den Menschen angesehen werden sollten.
Reproduktionstoxisch - fruchtschädigend - Kat. 1B (GefStoffV) - Stoffe, die als fruchtschädigend für den Menschen angesehen werden sollten.
Reproduktionstoxisch - fortpflanzungsgefährdend - Kat. 1B (GefStoffV) - Stoffe, die als beeinträchtigend für die Fortpflanzungsfähigkeit des Menschen angesehen werden sollten.
Für etliche der darüber hinaus in Vulkanisationsdämpfen enthaltenen organischen Stoffe wie z.B. Alkane, Alkene, Cycloalkane, Aromaten, Phenole, Ester existieren stoffbezogene AGWs.
Diese sind jedoch bei Einhaltung der obenstehenden Grenzwerte sicher eingehalten.



Messung / Ermittlung

Die Grenzwerteinhaltung für diese Stoffgemische ist nach TRGS 402, Abschnitt 5.2.1 (2) auf der Basis der Grenz­werte der Inhalts­stoffe zu bewerten.
Zur Nitrosamin- und Benzo[a]pyren-Messung sind die DGUV I 213-523, 213-525 und 212-536 (früher BGI 505-23, -25 und -36) zu berücksichtigen. Dort werden die Meßverfahren angegeben und erläutert.
Eine Übersicht über die geeigneten Messverfahren für N-Nitrosamine findet sich in der TRGS 552 im Anhang 3.
Liegen gesicherte Erkenntnisse über die Schwankungsbreite der Meßwerte bei normalem Arbeitsablauf vor, reichen Kontrollmessungen an sehr wenigen Punkten aus. Höchstzulässiges Messintervall sind 64 Wochen.
Kann eine erhöhte Belastung aufgrund gesicherter Rohstoff- und Prozessgegebenheiten unter Berücksichtigung der Arbeitsbereichsverhältnisse sicher ausgeschlossen werden, kann auf Messungen verzichtet werden.
Eine Grenzwertüberschreitung am Arbeitsplatz hingegen ist in der Regel zu erwarten, wenn die entstehenden Vulkanisationsdämpfe nicht über eine ausreichende technische Lüftung direkt erfasst und abgesaugt werden.



Ersatzstoffe - Ersatzprodukte - Ersatzverfahren

Die besonders gefährlichen N-Nitrosamine lassen sich durch geeignete Wahl der Hilfsstoffe unter Umständen vollständig vermeiden (u.U. abhängig vom Einsatzbereich und den Eigenschaften des Gummi-Produktes).
In GisChem wird daher bei jedem Zuschlagstoff angegeben, ob durch diesen bei der Vulkanisation krebserzeugende N-Nitrosamine entstehen können, und es werden auch Ersatzstoffempfehlungen aus der TRGS 552 gegeben.
Die Entstehung von Benzo[a]pyren lässt sich durch Wahl geeigneter Mineralölweichmacher (ohne aromatische Anteile) stark reduzieren.



Explosionsgefahren / Gefährliche Reaktionen

Vulkanisationsdämpfe sind brennbar und können im Inneren von Vulkanisationsapparaturen explosionsfähige Atmosphäre bilden.
Bei Einhaltung der AGWs und der N-Nitrosaminwerte nach Stand der Technik in der Umgebung von Vulkanisationsapparaturen ist mit Explosionsgefahr nur in der näheren Umgebung (bis zu einem halben Meter) möglicher Austrittsstellen zu rechnen.



Gesundheitsgefährdung

Ein­atmen kann zu Ge­sund­heits­schä­den führen.
Kann Atem­wege, Augen und Haut reizen.
Vulkanisationsdämpfe (Benzo[a]pyren, Nitrosamine) sind im Tier­versuch krebs­erzeu­gend!
Benzo[a]pyren ist im Tierversuch erbgutverändernd (s. H340)!
Benzo[a]pyren ist im Tierversuch fruchtschädigend (s. H360D)!
Benzo[a]pyren zeigt im Tierversuch Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit (s. H360F)!



Technische und Organisatorische Schutzmaßnahmen

Anlagen einschließlich Eingabe- und Abfüllstellen und Probenahmevorrichtungen so als geschlossene Systeme (z.B. Einhausung, Kapselung) ausführen und entstehende Dämpfe direkt abführen.
Ist das nach dem Stand der Technik nicht möglich, an diesen Stellen eine funktionstüchtige örtliche Absaugung sicherstellen.
Abge­saugte Luft nicht zu­rück­führen.
Nach Möglichkeit Vulkanisationschemikalien einsetzen, bei denen die Entstehung von krebserzeugenden N-Nitrosaminen und Benzo[a]pyren ausgeschlossen werden kann.
Ggf. können auch Inhibitoren zur Verhinderung der N-Nitrosaminbildung eingesetzt werden.
In manchen Fällen kann als Ersatzverfahren zur Salzbadvulkanisation z.B. die UHF-Vulkanisation durchgeführt oder in nitrat- oder nitritfreien Salzbädern gearbeitet werden.
ist das nicht möglich, hat der Arbeitgeber der zuständigen Behörde auf ihr Verlangen weitergehende Informationen zu den Tätigkeiten mitzuteilen, z.B. hinsichtlich der Ersatzstoffprüfung.
In geschlossenen Räumen, in denen Rohgummifelle lagern, die Vulkanisation stattfindet oder die Endprodukte direkt nach der Vulkanisation verarbeitet oder zwischengelagert werden, keine Dieselstapler oder andere Dieselfahrzeuge verwenden.
Maschinen, Pressen etc. nach der Vulkanisation nicht offen stehen lassen.
Arbeitsplätze/-bereiche von anderen Arbeitsbereichen räumlich trennen und entsprechend kennzeichnen. Aufenthalt in diesem Arbeitsbereich nur von mit den Arbeiten vertrauten Beschäftigten; deren Anzahl so gering wie möglich halten.
Verbotszeichen D-P006 "Zutritt für Unbefugte ver­bo­ten" anbringen.
Zum Reinigen der Formteile nur silikogenfreie Srahlmittel verwenden, z.B. Glasperlen, Schlackegranulate, Walnussschalen, CO2-Pellets.
Strahlmittel nur in geschlossenen Kabinen, die von außen bedient werden, einsetzen oder mit abgesaugten Werkzeugen arbeiten.
Tauchbäder mit Chemikalien zur Formenreinigung stets geschlossen halten. Beim offenen Umgang mit Chemikalientauchbädern (z.B. Umfüllen) stets persönliche Schutzausrüstung benutzen.
Ablagerungen von Gummistaub und -abrieb sofort beseitigen.



Brand- und Explosionsschutz

Im Inneren von Vulkanisationsapparaturen, in denen gefährliche explosionsfähige Atmosphäre zu erwarten ist, sind alle Zündquellen sicher auszuschließen oder/und konstruktive Explosionsschutzmaßnahmen vorzusehen.
In der näheren Umgebung möglicher Austrittsstellen von Vulkanisationsapparaturen, an denen mit der Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre im Nahbereich zu rechnen ist, sind alle Zündquellen sicher auszuschließen.



Hygienemaßnahmen

Einatmen von Dämpfen, Aerosolen oder Stäuben vermeiden!
Vor Pausen und nach Arbeits­ende Hän­de und andere ver­schmutzte Körper­stellen gründ­lich rei­nigen.
Haut­pflege­mittel nach der Hautrei­ni­gung am Arbeits­ende bzw. vor längeren Pausen ver­wen­den (rück­fetten­de Creme).
Straßen- und Arbeits­klei­dung ge­trennt auf­be­wah­ren gemäß Gefährdungsbeurteilung!!
Nahrungs- und Genuss­mittel getrennt von Ar­beits­stoffen aufbewahren. Essen, Trinken und Rau­chen sind ver­boten!



Persönliche Schutzmaßnahmen

Atemschutz: Atemschutz bei Grenzwertüberschreitung, z.B. Vollmaske/Halbmaske/filtrierende Halbmaske mit:
Kombinationsfilter A-P2 (grau/weiß)
Es wird empfohlen, Filtergeräte mit Gebläse und Helm oder Haube einzusetzen (z.B. TH2AP, bis zu einer N-Nitrosaminkonzentration von 20 µg/m³). Hierfür bestehen keine Tragezeitbegrenzungen.
In allen Arbeitsbereichen, in denen die N-Nitrosaminkonzentration oberhalb von 0,2 µg/m³ liegt, sind Atemschutzgeräte bereitzuhalten und jedem Beschäftigten zur Verfügung zu stellen.
Bei einer Überschreitung einer N-Nitrosaminkonzentration von 1 µg/m³ in einem Arbeitsbereich müssen dort diese Atemschutzgeräte getragen werden.
Darüber hinaus gibt es in dieser TRGS eine Anlage "Atemschutz gegen Nitrosamine", in der zusätzliche Hinweise zu finden sind (s. Hyperlink).



Arbeitsmedizinische Vorsorge

Bei Tätigkeiten mit Benzo[a]pyren oder anderen PAKs ist, sofern eine wiederholte Expo­sition nicht ausgeschlossen werden kann, arbeits­medizi­nische Vorsorge regel­mäßig zu veran­lassen (Pflichtvorsorge).
Bei Tätigkeiten mit krebs­erzeu­gen­den N-Nitros­aminen oberhalb der ubi­quitären Luft­verun­reinigung (bis zu 0,1 µg/m³) ist ar­beits­me­di­zi­nische Vor­sor­ge an­zubieten (Angebotsvorsorge).
Da für das Produkt zurzeit kein direkt passendes arbeitsmedizinisches Vorsorgeprogramm verfügbar ist, wird empfohlen, bei einer Untersuchung im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge die folg­enden DGUV Empfehlungen in Anlehnung heranzuziehen:
Krebserzeugende und keimzellmutagene Gefahrstoffe - allgemein
Falls aufgrund der Gefährdungsbeurteilung das Tra­gen von Atemschutz notwendig ist, ist arbeits­medizinische Vorsorge ggf. nach der DGUV Empfehlung Atem­schutz­geräte durchzuführen.



Beschäftigungsbeschränkungen

Jugendliche ab 15 Jahren dürfen hiermit nur beschäftigt werden:
wenn dieses zum Erreichen des Ausbildungszieles er­forderlich, der Arbeitsplatzgrenzwert unterschritten und die Auf­sicht durch einen Fachkundigen sowie betriebs­ärztliche oder sicherheitstechnische Betreuung gewähr­leistet ist.



Schadensfall

Produkt ist brennbar, geeignete Lösch­mittel: Schaum, Lösch­pulver, Kohlen­dioxid oder Wasser­nebel. Nicht zu ver­wenden: Wasser im Vollstrahl!
Bei Anwendung von Kohlendioxid als Lösch­mittel für Fest­stoffe be­steht Rück­zündungsgefahr.
Bei Brand ent­stehen ge­fähr­liche Gase/Dämpfe (z.B. Schwefel­oxide, Stick­oxide, Kohlen­monoxid).
Bei Brand in der Um­gebung Be­hälter mit Sprüh­wasser kühlen.
Brand­bekämpfung größerer Brände nur mit umgebungs­luft­unab­hängigem Atem­schutz­gerät!



Erste Hilfe

Nach Augenkontakt: Augen unter Schutz des un­ver­letzten Auges sofort ausgiebig (mind. 10 Minuten) bei geöffneten Augenlidern mit Wasser spülen.
Nach Hautkontakt: Verun­reinigte Klei­dung, auch Unterwäsche und Schuhe, so­fort aus­ziehen; auf Selbstschutz achten.
Haut mit viel Was­ser spülen.
Nach Einatmen: Verletzten unter Selbstschutz aus dem Ge­fahren­bereich bringen.
Bei Atemnot Sauerstoff inhalieren lassen.
Hinweise für den Arzt: Symptomatische Behandlung (Dekonta­mina­tion, Vital­funk­tionen), kein spe­zifi­sches Anti­dot be­kannt.
Sonstiges: Krebserkrankungen durch Vulkanisationsdämpfe (Benzo[a]pyren, Nitrosamine) sind mel­de­pflich­tige Be­rufs­krank­heiten (BK-Nummer 5102 bzw. § 9 Abs. 2, SGB 7).



Lagerung

Lagerung der Rohgummifelle:
Rohgummimischungen haben nur eine begrenzte Haltbarkeit, da mit der Zeit auch bei Raumtemperatur ein Teil der beigemischten Chemikalien miteinander reagieren.
Vorprodukte daher an einem kühlen, gut gelüfteten Ort lagern, nicht dem direkten Sonnenlicht aussetzen, rasch weiterverarbeiten.
Lagerung der vulkanisierten Produkte:
Gummiteile nicht in Arbeitsbereichen (zwischen)lagern.
Ausreichende Lüftung der Lagerbereiche vorsehen, z.B. durch technische Lüftung, aber auch durch häufiges Öffnen der Fenster.